Die Vorerbschaft ist ein häufig diskutiertes Thema, insbesondere wenn es um Immobilien geht, die zum Nachlass gehören. Eine Vorerbschaft ist in vielen sogenannten „Berliner Testamenten“ von Eheleuten enthalten und zwar sogar dann, wenn die Begriffe „Vor- und Nacherbschaft“ nicht wörtlich verwendet werden, sondern sich ein dahingehender Wille des Erblassers erst im Wege der Auslegung ergibt. Wenn nach dem Erbfall ein Vorerbe einen Teil des Nachlasses verwaltet, stellen sich oft Fragen zur Nutzung und Verfügungsgewalt – gerade bei Grundbesitz, der mehreren Personen gemeinsam gehört (Was darf der Vorerbe und was darf er nicht?). Dieser Beitrag erklärt die wichtigsten rechtlichen Grundlagen und bietet einen Überblick über die Rechte und Pflichten des Vorerben in Bezug auf gemeinschaftlichen Grundbesitz.

Der Vorerbe im Erbrecht

Was ist ein Vorerbe?

Ein Vorerbe ist eine Person, die zunächst das Erbe erhält, aber es zu einem späteren Zeitpunkt an den sogenannten Nacherben weitergeben muss. In den meisten Fällen geht die Erbschaft auf den Nacherben mit dem Tod des Vorerben über. Der Vorerbe ist also Erbe auf (Lebens-)zeit, verwaltet das Erbe und nutzt es, bis die Erbschaft an den Nacherben übergeht. Die Aussicht des Nacherben auf das Erbe wird vor Verschleuderung durch den Vorerben geschützt, indem der Vorerbe in vielen Fällen in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt ist.

Welche Rechte hat der Vorerbe bei Grundstücken?

Grundsätzlich hat der Vorerbe das Recht, aus dem Erbe Nutzen zu ziehen, zum Beispiel Mieteinnahmen aus einer Immobilie zu beziehen. Gemäß § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB fließen diese Einnahmen dem Vorerben zu, auch wenn ein Nacherbe bestimmt ist. Wichtig: Diese ordnungsgemäßen Einnahmen stehen dem Vorerben zur freien Verfügung, er muss sie später nicht an den Nacherben weitergeben.

Der Nacherbe im Erbrecht

Verfügung über gemeinschaftlichen Grundbesitz ohne Zustimmung des Nacherben

Wenn der Vorerbe und der Erblasser verheiratet waren und dabei in dem Ehevertrag der Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart war, darf der Vorerbe unter bestimmten Umständen über ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück auch ohne Zustimmung des Nacherben verfügen. § 2113 BGB findet keine Anwendung.

Praxisbeispiel: Die Eheleute waren in Gütergemeinschaft verheiratet und hatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament sich gegenseitig als Vorerben eingesetzt. Nacherben sollen die gemeinsamen Kinder sein. Als der Mann stirbt, möchte die Frau das Haus verkaufen und in eine kleinere Eigentumswohnung in der Stadt ziehen. Die Kinder sind empört und meinen, dass die Frau das Familienheim als Vorerbin überhaupt nicht verkaufen oder belasten dürfe, ohne vorher die Kinder als deren Nacherben einzubinden.

Schadensersatzansprüche des Nacherben

Wenn der Vorerbe jedoch gegen seine Pflichten verstößt – zum Beispiel, indem er das Grundstück nicht ordnungsgemäß verwaltet oder ohne notwendige Begründung verkauft oder es sogar verschenkt –, können die Nacherben Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies ergibt sich aus § 280 Abs, 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 2129 Satz 1 BGB. Der Vorerbe, im Praxisfall also die Ehefrau, muss dann nachweisen, dass die getroffenen Entscheidungen zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses notwendig waren. Wenn dies nicht gelingt, kann der Nacherbe, also deren Kinder, Ersatz für entgangene Gewinne fordern.

Die Besonderheit bei gemeinschaftlichem Vermögen

Interessant ist, dass die Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB nicht auf Anteile an einer Gesamthandsgemeinschaft (wie z. B. einer Gütergemeinschaft) anwendbar sind. Das bedeutet, dass der Vorerbe grundsätzlich über das Gesamthandvermögen verfügen kann, solange keine Auseinandersetzung über das Vermögen erfolgt ist. Der Verkauf eines Grundstücks, das zum Gesamthandsvermögen gehört, ist also unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zustimmung des Nacherben möglich.

Was passiert nach dem Eintritt des Nacherbfalls?

Mit dem Eintritt des Nacherbfalls lebt die Gesamthandsgemeinschaft zwischen Vorerbe und Nacherbe wieder auf. Der Nacherbe erhält dann das, was vom Erbe noch übrig ist, oder Ersatzwerte für veräußerte Gegenstände. Daher sollte auch ein befreiter Vorerbe stets darauf achten, dass seine Verfügungen den Wert des Nachlasses nicht unangemessen verringern.

Fazit:

Vorerben, die mit dem Erblasser in Gütergemeinschaft verheiratet waren, haben zwar das Recht, innerhalb gewisser Grenzen über den Nachlass zu verfügen und ihn zu nutzen, unterliegen jedoch bestimmten rechtlichen Pflichten, bei deren Verletzung Schadensersatzpflichten gegenüber den Nacherben drohen. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, sich rechtzeitig von einem Experten beraten zu lassen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.

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